Mich erreichen vermehrt Anfragen, welches Audio-Interface ich für Mehrspur-Podcastaufnahmen mit Reaper/Ultraschall empfehlen würde. Insbesondere, ob mich die Presonus-VSL Produktfamilie empfehlen kann. Die Antwort kann hier wohl nur ein lautes JEIN sein.

Generell hängt die Auswahl eines Sound-Interfaces von vielen Faktoren ab – Mobilität, Flexibilität, Anzahl der Mikrofoneingänge, Klang, Effekte, Latenz und nicht zuletzt Budget. Grob kann man diese Gruppen unterscheiden:

1) Die untere Einstiegsklasse
Hier gibt es zwar zwei oder auch vier Mikrofoneingänge, es wird jedoch nur eine Stereosumme aller Kanäle an den Rechner geschickt. Damit sind sie für Podcasting mit mehreren Personen nur bedingt geeignet, zwei gehen noch so eben über den Stereo-Split-Trick. Effekte gibt es zuweilen, diese wirken nur auf der Stereo-Summe. Preisrahmen: ca. 80-200€

2) Die solide „no bullshit“ Klasse
Die Geräte werden robuster in der Verarbeitung, haben wirklich gut klingende Mikrofonverstärker, jede Spur wird sauber an den Rechner ausgegeben, mindestens ein Rückkanal (für Skype, Einspieler etc.) ist gegeben und zumeist gibt es eine virtuelle Mixer-Software. Effekte sind jedoch keine vorhanden. Preisrahmen: 300-600 €

3) Die Profi-Liga
Die Geräte sind sehr gut verarbeitet, die Mixersoftware ersetzt jetzt umfänglich ein digitales Mischpult in Bezug auf Routing-Flexibilität, latenzfreie Effekte wie Kompressor, EQ, Expander und Limiter werden über eigene DSP-Prozessoren im Gerät eingeschleift. Preisrahmen: 800-2.000 €

Diese Einteilung offenbart schon unser aller Problem: wenn wir nicht allein sind, wollen wir schon mal etwas jenseits der Einsteigerklasse da ansonsten Mehrspuraufnahmen ausfallen. Und eigentlich wollen wir auch latenzfreie Effekte: wer seine eigene Stimme im Headset schon immer suspekt fand, wird mit einem guten EQ (mehr Bass!), Kompressor (diese Präsenz!) und Expander (kein Hintergrundrauschen!) schon viel selbstbewusster. Muss man mal ausprobiert haben, das ist ein wenig wie Retina-Displays – es gibt dann kein zurück. Natürlich kann man den Umweg über dezidierte Multi-Effektgeräte wählen – aber wer Ultraschall verfolgt kennt meine „Kabel müssen überwunden werden!“ Direktive und ab 4 Kanälen geht das auch wirklich ins Geld. Und wie regelmäßig in der Freakshow zu hören ist auch der Vorteil von direkt den Teilnehmern zuordnenbaren Digital-Settings nicht zu verachten – kein unwürdiges Rumkriechen unter dem Tisch um an die Regler zu kommen.

Man will also in Kategorie 3, aber dafür fehlt dann eigentlich immer das Geld.
Presonus ist nun angetreten, dieses Dilemma zu lösen: Nahezu alle Funktionen von Kategorie 3 zum Preis der günstigeren Kategorie 2 Geräte, und das noch in vertrauenserweckenden Metallgehäusen. In Bezug auf Podcasting-relevante Features bietet mein 1818VSL mit Limiter, Gate, Kompressor und EQ für 499 € so ziemlich dasselbe wie ein 2.000 € RME. Nur dass ich echte Gain-Regler pro Kanal habe. Und 8 Kanäle statt nur 4.

Rudelpodcast auf dem 30C3 dank 8 Kanälen

Rudelpodcast auf dem 30C3 dank 8 Kanälen

Bevor nun aber alle entfesselt auf den Thomann-Bestell-Button drücken lohnt es sich genauer hinzuschauen, wie Presonus das eigentlich erreicht zu dem Preis. Im Wesentlichen dadurch, dass sie sich dezidierte DSP-Effektprozessoren sparen und die Effekte im Rechner rendern. Das ist soweit nicht ungewöhnlich, wir machen das in Reaper seit den ersten Folgen Ultraschall. Dort hatten wir aber bisher das Problem, dass der Rückkanal mit über 10ms viel zu langsam ist um dann noch fernünftig sprechen zu können – die Chorus- und Echoeffekte treiben einen in den Wahnsinn.

Was Presonus nun macht, ist eine spezielle „Handhabung“ der USB-Schnittstellen. Mehr oder weniger am Betriebssystem vorbei wird hier der maximal direkte Weg genommen, was den Einsatz eines definierten Sets von Effekten in maximal 4ms ermöglicht. Das Verfahren ist hier gut beschrieben und überzeugt sowohl auf dem Papier als auch in meiner Praxis.

Praktisch im Rack mit einem 8-fach Kopfhörerverstärker

Praktisch im Rack mit einem 8-fach Kopfhörerverstärker

Alles könnte also so schön sein. Wenn wir nicht das kleine Problem hätten, dass die Presonus VSL-Geräte seit ca. 2 Jahren auf kaum noch einer neuen Hardware vernünftig laufen. Theorien was da genau schief läuft gibt es viele: angefangen von „Apple ist schuld“ über „USB3 ist schuld“ hin zu „Intel ist Schuld“ ist alles vertreten. und wie es aussieht: auch alles wahr. Presonus sind auch nicht die einzige Audio-Bude die sich mit solchen Problemen rumschlägt, leider aber auch die einzigen in dieser schönen 2.5er Klasse (siehe oben) – praktisch alternativlos.

Was ist nun meine Empfehlung? Es gibt zwei Punkte zu beachten. Zum einen muss man austesten, ob das gewünschte Presonus-Gerät mit der eigenen Hardware läuft, und zwar stabil mit allen Schikanen, Mehrspur, Skype, was so anfällt. Über Stunden. Wenn es nicht funktioniert – nicht grämen, nicht lange frumeln, zurückschicken. Das geht etwa bei Thomann zum Glück sehr unproblematisch. Man hat zwar durchaus ein paar Schrauben an denen man drehen kann – etwa die Latenz des Presonus hochschrauben auf normal (6ms) – „safe“ fällt aber mit 10ms schon wieder aus.

Der zweite Punkt ist: wie lange wird der jetzige Rechner – mit dem es dann hoffentlich wirklich läuft – noch halten? Die Chancen, dass das Presonus an einem brandneuen MacBook mit USB3 läuft würde ich derzeit bei ca. 5% ansiedeln. Gerade letzte Woche sind zwei neue MacBooks (Pro und Air) von 343Max grandios gescheitert. Wenn ihr also vorhabt, in bälde das Equipment auszutauschen ist ein Presonus ein recht riskanter Weg.

Was die Lage nicht besser macht: Presonus verdient sich den Pokal in „Kunden im Nebel stehen lassen“. Zwei Jahre lang verbreiten sie „mit dem Angriff Steiner wird das alles in Ordnung kommen“ (neuer Treiber) um dann Ende 2013 eher beiläufig zu verkünden „läuft gar nicht auf aktueller Hardware“. Tja.

Wenn – ja wenn aber beide Punkte kein Problem sind, es wie bei mir ohne Aussetzer auf „fast“ läuft und mein 2011er MacBook dank 8GB Ram und SSD hoffentlich noch ein paar Jahre durchhält (und sei es nur fürs Podcasting) – ja dann würde ich sagen ist ein Presonus VSL eine extrems attraktive Lösung für Podcaster. Ich würde mich sehr über Kommentare freuen, an welcher Hardware bei Euch die VSL-Geräte laufen oder auch nicht, vielleicht bauen wir mal eine Kompatibilitätsliste?

UPDATE

Wir tragen hier unseren aktuellen Forschungsstand zusammen, eigene Kombinationen bitte direkt eintragen: